IG Metall Salzgitter-Peine
https://www.igmetall-salzgitter-peine.de/aktuelles/meldung/ungebrochen-solidarisch-gewerkschaften-fordern-am-tag-der-arbeit-mehr-oeffentliche-investitionen-u/
29.03.2024, 13:03 Uhr

Tag der Arbeit in Peine

„Ungebrochen Solidarisch“: Gewerkschaften fordern am Tag der Arbeit mehr öffentliche Investitionen und Verteilungsgerechtigkeit

  • 01.05.2023
  • Aktuelles

250 Beschäftigte bei Kundgebung am 1. Mai in Peine ++ Brigitte Runge, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Salzgitter-Peine: „Arbeitgeber können nicht den Personalnotstand beklagen und den Beschäftigten zugleich gute Löhne vorenthalten“ ++ Klimaaktivistin Klara Upadeck: „Solidarisch zu sein, bedeutet für mich, sich der katastrophalen Folgen der Klimakrise bewusst zu sein und sich aktiv für Klimagerechtigkeit einzusetzen.“

Peine – Unter dem Motto „Ungebrochen solidarisch“ begingen Beschäftigte in ganz Deutschland den Tag der Arbeit 2023 mit Demonstrationen, Kundgebungen und öffentlichen Veranstaltungen auf Straßen, Plätzen und in Hallen. Die DGB-Gewerkschaften in Peine hatte zur Kundgebung auf den historischen Marktplatz geladen. Hier kamen rund 250 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter im Rahmen einer Kundgebung zusammen. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von Hannes Salzmann, der Gewerkschafts- und populäre Lieder spielte. An Ständen wurden Essen und Getränke angeboten. Eine Hüpfburg und ein Glücksrad sowie ein Bastelangebot für Kinder durch den Kinderschutzbund rundeten das Programm ab.

Die Zweite Bevollmächtigte und Gastrednerin, Brigitte Runge von der IG Metall Salzgitter-Peine forderte mehr öffentliche Investitionen und eine Stabilisierung der Reallöhne: „Kräftige Lohn- und Gehaltszuwächse sind das beste Mittel gegen steigende Lebenshaltungskosten“, sagte Runge. „Deshalb sind die Forderungen in den jüngsten Tarifauseinandersetzungen bei der Deutschen Post, der Bahn, im öffentlichen Dienst oder auch bei den bereits vor Monaten erzielten Tarifabschlüssen wie in der Metall- und Elektroindustrie gerechtfertigt und volkswirtschaftlich richtig. Durch die Inflation sinken die Reallöhne und ohne eine stabile Kaufkraft wird es keinen wirtschaftlichen Aufschwung geben. Und wenn es uns nicht gelingt, die Energiepreise in den Griff zu bekommen und die Betriebe zukunftsfest aufzustellen, droht uns in Deutschland langfristig eine De-Industrialisierung.“

Die Gewerkschafterin machte deutlich: „In unseren Tarifrunden geht es aber nicht nur um Geld, sondern auch um mehr Personal. Allein im Öffentlichen Dienst fehlen hunderttausende Stellen oder sind unbesetzt. Fakt ist: Personal kann man am besten mit guten Löhnen und Arbeitsbedingungen gewinnen. Die Arbeitgeber*innen können nicht auf der einen Seite den Personalnotstand beklagen und auf der anderen Seite den Beschäftigten gute Löhne vorenthalten.“

Der Investitionsstau und der Personalmangel sei in vielen öffentlichen Bereichen seit Jahren eklatant: „Die Folgen sind während der Pandemie, aber auch infolge des Angriffskriegs auf die Ukraine unübersehbar geworden: unsichere Energieversorgung, schleppende Digitalisierung, unterbesetze Verwaltungsbehörden und fehlende Kapazitäten, um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, Lehrkräfte und Erzieher*innen sowie Kranken- und Pflegepersonal am Rande ihrer Kapazitäten. Klar ist: Hier braucht es massive öffentliche Investitionen, mehr Personal und eine zeitgemäße Ausstattung, um eine ausreichende Versorgung sicherzustellen.“

Darüber hinaus macht die Metallerin deutlich: „Wir brauchen keine Kürzungsdebatte bei Sozialleistungen. Im Gegenteil, hier ist deutlich Luft nach oben! Die Ungerechtigkeit des Steuersystems spiegelt sich in der ungleichen Verteilung von Vermögen in unserem Land wider. Das Vermögen in Deutschland ist extrem ungleich verteilt! Die vermögendsten zehn Prozent besitzen über 60 Prozent des Gesamtvermögens. Was wir brauchen, ist endlich eine Erbschaftsteuer mit Biss und die Wiedererhebung der Vermögensteuer! Uns Gewerkschaften geht es um eine Debatte darüber, wie wir mehr Verteilungsgerechtigkeit in diesem Land herstellen können!“

Für Klimaaktivistin, Klara Upadeck gehören Verteilungsgerechtigkeit und Klimagerechtigkeit zusammen: „Solidarisch sein, bedeutet für mich, sich der katastrophalen Folgen der Klimakrise bewusst zu sein und sich aktiv für Klimagerechtigkeit einzusetzen. Daten für das Jahr 2019 zeigen, dass die reichsten 0,001 Prozent der Deutschen – lediglich 800 Menschen – allein in 2019 11.741 Tonnen CO2 emittiert haben. Das ist tausendmal so viel, wie der deutsche Durchschnittsbürger. Dennoch sind gerade diese Menschen diejenigen, die am wenigsten von der Klimakrise betroffen sind. Ärmere Menschen mit geringeren Einkommen sind hingegen stärker von den Folgen der Klimaerwärmung betroffen, aber weniger für die Klimakrise verantwortlich. Die Klimakrise verstärkt also bereits bestehende Ungleichheiten und sie kann nur zusammen mit bestehenden gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten bekämpft werden“, so Upadeck. „Nötige Veränderungen geschehen jedoch nur durch Druck“, so die Aktivistin. „Daher greift das Thema Klimaschutz und Klimagerechtigkeit in euren Verbänden, Betrieben und Gewerkschaften auf, um gemeinsam für ein klimagerechtes und solidarisches Peine zu kämpfen.“

Für Gülsen Dogan, stellvertretende Leiterin der Kita Lummerland in Peine, ist Bildung der Eckpfeiler, um etwas verändern zu können: „Bildung ist unser Auftrag, doch wie sollen wir pädagogische Fachkräfte der Bildung und Förderung des Kindes gerecht werden, unter solch schlechten Rahmenbedingungen, hohem Personalmangel und schlechter Bezahlung. Sogar die Politiker erkennen an: »Da droht der Kollaps im System.« Aber keiner bemüht sich um Lösungsvorschläge. Ich finde, es muss sich einiges ändern: Der Fachkräftemangel muss beseitigt werden. Der Schlüssel dafür liegt in einer fairen Bezahlung bereits während der vier-jährigen Ausbildung. Der Personalschlüssel muss neu berechnet werden: Es braucht mindestens drei pädagogische Fachkräfte für 20 bis 25 Kinder. Und eine grundsätzlich bessere Bezahlung muss her, unabhängig von Tariferhöhungen.“

Jana Auf der Landwehr und Thomas Schönberg von der Jugend- und Auszubildendenvertretung der Peiner Träger GmbH sind der Meinung, dass das Bildungssystem auch für Jugendliche in der Ausbildung auf den Prüfstand gehört. Sie forderten attraktive Ausbildungsplätze mit einer festen Übernahmezusage: „Als junge Generation haben wir einfach das Gefühl: Als Individuum treten wir auf der Stelle und als Gesellschaft sind wir rückwärtsgewandt. Wir brauchen keine Statussymbole, keine fetten Autos und Eigenheime, um ein gutes Leben zu führen. Aber wir brauchen für jeden jungen Menschen die Option auf einen Ausbildungsplatz und wir wollen eine garantierte Übernahme nach erfolgreich abgeschlossener Berufsausbildung – auch bei der Peiner Träger GmbH. Darüber hinaus brauchen wir eine Fachkräftesicherung und Qualifizierungsstrategie in unseren Betrieben.“

Weiterhin erklären die beiden Auszubildendenvertreter: „Damit die Betriebe der Salzgitter AG weiterhin für junge Fachkräfte attraktiv bleiben, werden wir in der kommenden Tarifrunde der Stahlindustrie deshalb alles daran setzen, eine 4-Tage-Woche mit 32 Stunden, bei vollem Lohnausgleich durchzusetzen. Viele Arbeitgeber fürchten das. Dabei bietet diese Mentalität Chancen für alle am Arbeitsplatz. Beschäftigte arbeiten motivierter, produktiver und gesünder – und können Arbeit und Leben besser vereinbaren. Die Betriebe werden durch eine Arbeitszeitreduzierung attraktiver für Fachkräfte – und können damit in Krisen Arbeitsplätze sichern und aktiv die berufliche Bildung vorantreiben.“

Torsten Gutsmann, der die Maikundgebung als DGB-Kreisverbandsvorsitzender moderierte, warf bei all den Zukunftsthemen auch einen Blick in die Vergangenheit vor 90 Jahren, als die Nationalsozialisten die Gewerkschaftshäuser überfielen: „Uns Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern wird an jedem 1. Mai immer wieder schmerzlich bewusst, was dem „Tag der Arbeit“ im Jahr 1933 folgte. Am 2. Mai stürmten Nationalsozialisten im ganzen Land Gewerkschaftshäuser, Büros und Wohnungen. So trägt das Mai-Motto »Ungebrochen solidarisch« auch eine Botschaft des 2. Mai in sich. Solidarität verpflichtet uns immer wieder neu zu entschlossenem Handeln.“

Gemeinsam stünden Gewerkschafter nicht nur für eine offene Gesellschaft mit Respekt und gegen Hass und Hetze ein, sondern auch für ein Ende des Krieges in der Ukraine, so Gutsmann: „Den Menschen in der Ukraine droht ein jahrelanger Stellungskrieg, der weiteres unermessliches Leid vor allem für die Zivilbevölkerung bedeutet. Wir stehen an einem Punkt, an dem sich die militärische Eskalationsspirale unkontrolliert immer schneller dreht. Es ist ein kompletter Irrweg zu glauben, immer mehr Waffen würden die Welt sicherer machen und dauerhaften Frieden ermöglichen. Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ist ein Fehler, ebenso wie die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO. Nicht die Aufrüstungsspiralen, sondern öffentliche Investitionen in einen modernen Sozialstaat und die unabdingbare sozial-ökologische Transformation sind erfolgversprechende Antworten auf die Probleme unserer Zeit.“


Drucken Drucken