IG Metall Salzgitter-Peine
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28.03.2024, 17:03 Uhr

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IG Metall fordert mehr Unterstützung von der Politik für Beschäftigte in der Stahlindustrie

  • 22.09.2021
  • Aktuelles, Bildergalerie, Salzgitter AG

Salzgitter – Die IG Metall fordert die Politik auf, die notwendigen Rahmenbedingungen für die Transformation der Stahlindustrie hin zur klimaneutralen Stahlerzeugung zu schaffen. Mit diesem Ziel rief die Gewerkschaft heute rund 2.500 Beschäftigte der Salzgitter-AG-Unternehmen zu einer gemeinsamen Kundgebung auf.

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Es sprechen Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen u. Sachsen-Anhalt, Hasan Cakir, Betriebsratsvorsitzender der Salzgitter Flachstahl GmbH, Gunnar Groebler, Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG u. Matthias Wilhelm von der IG Metall

Bilder von Rudi Karliczek und Inga Wolfram anlässlich des Stahlaktionstages

Unter dem Motto „Bereit für grünen Stahl“ unterstrichen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Standort der Flachstahl GmbH ihre Forderungen, die sie an Politikerinnen und Politiker auf der Landes-, Bundes- und Europaebene stellen und in Teilen sogar selbst vor Ort waren. Die IG Metall fordert heute abermals verlässliche und substanzielle Rahmenbedingungen für die Umstellung auf eine klimaneutrale Stahlerzeugung – auch für Salzgitter.

Die zentralen Forderungen

Damit die Transformation hin zu einer klimaneutralen Stahlerzeugung gelingen kann, fordert die IG Metall von der Politik und zukünftigen neuen Bundesregierung:

  • Einen Transformationsfonds für die Stahlindustrie mit 10 Mrd. Euro bis 2030
  • Den Ausbau der Wasserstoffkapazitäten auf 10 Gigawatt bis 2030
  • Die Umsetzung der Forderungen im 100-Tage-Programm der neuen Bundesregierung

Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Salzgitter-Peine, Matthias Wilhelm stellt klar: „Wir brauchen jetzt eine Umsetzung der substanziellen und aktuell erforderlichen politischen Schritte für die Umgestaltung in der Stahlindustrie. Dafür müssen schnell verlässliche Maßnahmen Eingang in die Koalitionsverhandlungen finden und im 100-Tage-Programm der neuen Bundesregierung zur Umsetzung gebracht werden. Es drängt die Zeit! Jetzt geht es darum mit Weitsicht zu handeln, den Umbau der Stahlindustrie voran zu treiben. Darüber hinaus benötigen die Beschäftigten und Standortgarantien sowie Qualifizierungsangebote. Wir müssen es schaffen, mit unseren Betriebsräten, auf der Grundlage unserer Mitbestimmung und mit der Politik, die Zukunft der Stahlindustrie jetzt in die Hand zu nehmen und zu gestalten.“

Hasan Cakir, Betriebsratsvorsitzender der Salzgitter Flachstahl GmbH verdeutlicht: „85.000 Beschäftigte in der Stahlindustrie bundesweit haben einen großen Einfluss, um Druck hinter unsere Forderungen zu bringen. Vor allem hier am Standort in Salzgitter tragen wir eine entscheidende Vorreiterrolle für die Herstellung von Grünem Stahl. Wenn wir uns für die technologische Umstellung hin zu Klimaneutralität einsetzen, dann müssen wir zukünftig auch für die Beschäftigten unserer Hütte weiterhin sichere Arbeitsplätze mit guten Arbeitsbedingungen ermöglichen können. Hier tragen der Konzern der Salzgitter AG und die Politik eine entscheidende Verantwortung. Im Mittelpunkt stehen Qualifizierungskonzepte für die Belegschaften, aber auch eine vorausschauende Personalplanung. Deutlich wird, dass die flächendeckende Struktur mit gut ausgebildeten Facharbeitern in der Stahlindustrie erhalten bleiben muss.“

Investitionen fördern

Die Transformation in der Stahlindustrie wird Milliarden kosten. Dies ist aber gut angelegtes Geld für den Klimaschutz, zum Erhalt der Stahlstandorte, der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie und für die Menschen, die direkt und indirekt in der Stahl- und weiterverarbeitenden Industrie arbeiten. Die immensen Investitionskosten kann kein Stahlunternehmen in Deutschland alleine aus eigenen Mitteln bestreiten. Ohne eine staatliche Förderung bei der Umstellung der Produktion auf Grünen Stahl wird es nicht gehen. Einige Förderprogramme sind bereits auf den Weg gebracht, allerdings sind diese nicht ausreichend, um die notwendigen Investitionsentscheidungen in den Unternehmen treffen zu können. Es braucht langfristige Sicherheit und somit auch die langfristige Zusage von Fördermitteln. Deshalb fordert die IG Metall einen Transformationsfonds für die Stahlindustrie, ausgestattet mit 10 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030. Aus diesem Fonds sollen die Transformationsprojekte der Unternehmen gefördert werden.

Wasserstoffressourcen und Erneuerbare Energien sowie deren Infrastruktur schneller ausbauen  

Wasserstoff hat eine zentrale Bedeutung für die Erreichung der Klimaziele. Für die klimaneutrale Stahlproduktion wird ein massiver Ausbau von Wasserstoffkapazitäten benötigt. Dies bedingt einen deutlich schnelleren Ausbau von regenerativen Energieressourcen und die zur Verfügung Stellung von bezahlbarem grünen Strom. Denn um grünen Wasserstoff zu erzeugen, wird es große Mengen an erneuerbarer Energie brauchen.

Soziale Sicherheit durch Beschäftigungssicherung und Gewährung guter Arbeitsbedingungen

Die Transformation der Stahlindustrie wird aber auch erhebliche Herausforderungen für die Beschäftigten mit sich bringen. Bisherige Arbeitsplätze werden wegfallen, neue dazukommen, so zum Beispiel in den Kokereien oder den Sinteranlagen. Neue Verfahrenstechniken bringen einen hohen Qualifizierungsbedarf mit sich. Dafür müssen auf der betrieblichen Ebene Lösungen gefunden werden. Im Mittelpunkt stehen dabei Qualifizierungskonzepte für die Belegschaften aber auch eine vorausschauende Personalplanung. Deutlich wird, dass die flächendeckende Struktur mit gut ausgebildeten Facharbeitern in der Stahlindustrie erhalten bleiben muss. Darüber hinaus fordert die IG Metall eine Standort- und Beschäftigungssicherung für die Beschäftigten in der Stahlindustrie und die Gewährung guter Arbeitsbedingungen auch in der Zukunft. Es muss darum gehen den Umbau in der Stahlindustrie sozialverträglich zu gestalten.

Weitere Informationen zum Hintergrund:

Produktionskosten senken

Eine weitere große Hürde stellen die erhöhten Produktionskosten dar. Wenn im Hochofen statt Kokskohle demnächst Wasserstoff eingesetzt wird, ist dies mit höheren Kosten verbunden, da Wasserstoff als Reduktionsmittel erheblich teurer ist. Diese erhöhten finanziellen Aufwendungen sollten zukünftig ausgeglichen werden, denn grüner Stahl hätte ansonsten kaum Chancen im Wettbewerb. Um Grünen Stahl wettbewerbsfähig zu machen, könnte dieser durch Quoten gefördert werden, sowohl bei öffentlichen Aufträgen, aber auch bei anderen Produkten, in denen Stahl verbaut wird.

Eine konkrete Idee ist es, den Einsatz von grünem Stahl im Auto auf die CO2-Flottengrenzwerte der Automobilhersteller anzurechnen. Das würde einen Schub für die Reduzierung von CO2 bringen, branchenübergreifend, denn Stahl- und Autoindustrie würden gemeinsam an der Erreichung der Klimaziele arbeiten.

Europäische Politik stärken

Ob die Transformation gelingt, wird auch auf europäischer Ebene entschieden. Die Europäische Union hat ihr Programm „Fit for 55“ vorgelegt, mit dem die Klimaziele erreicht werden sollen. Wichtige Themen für die Stahlindustrie sind hier der Grenzausgleich für CO2 und der Emissionsrechtehandel. Der Grenzausgleich soll vor „Billig-Importen“ von Stahl mit hohem CO2-Anteil schützen. Gleichzeitig sollen die freien Zuteilungen von Emissionsrechten, die es für die Stahlindustrie gibt, heruntergefahren werden. Mit beiden Instrumenten muss sehr behutsam umgegangen werden, da beim Grenzausgleich Handelsbeziehungen belastet werden können und bei den Emissionszertifikaten schnell höhere Kosten für die Stahlindustrie entstehen, die die Umstellung auf grünen Stahl bremsen. Nur wenn klar ist, dass der Grenzausgleich auch den gewünschten Schutz bringt, können nach und nach die freien Zuteilungen von Emissionszertifikaten abgeschmolzen werden.

Wertschöpfungskette erhalten

Der Schutz der Arbeitsplätze und Standorte ist aber nicht nur für die Branche Stahl existenziell. Die Stahlindustrie steht am Beginn der Wertschöpfungskette. Aus Stahl werden zahlreiche weitere Produkte gefertigt, so zum Beispiel in der Automobilindustrie oder dem Maschinen- und Anlagenbau. Diese geschlossene Wertschöpfungskette in Deutschland sichert eine zusammenhängende industrielle Basis. Verschwindet die Stahlindustrie, wird dies auch hunderttausende Jobs in den nachgelagerten Branchen kosten. Mit jedem Arbeitsplatz in der Stahlindustrie sind mehr als sechs Arbeitsplätze in den weiterverarbeitenden Branchen verbunden. Hinzu kommt die wichtige regionale Bedeutung der Stahlindustrie. Ganze Industrieregionen wären mit dem Verschwinden von Stahlwerken in ihrer Existenz bedroht.

Um Standorte und Beschäftigung zu sichern, aber auch um den Belegschaften die nötige Qualifizierung zu ermöglichen, sind die Stahlunternehmen gefordert. Es geht darum mit den Betriebsräten, mit der Mitbestimmung geeignete Lösungen zu finden, um die Transformation zu gestalten. Dabei muss der Grundstein für ein erfolgreiches Unternehmen, nämlich seine Beschäftigten, erhalten werden.


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