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26.04.2024, 07:04 Uhr

Tag der Arbeit in Salzgitter

„Ungebrochen Solidarisch“: Gewerkschaften fordern am Tag der Arbeit mehr öffentliche Investitionen und Verteilungsgerechtigkeit

  • 01.05.2023
  • Aktuelles

3.500 Beschäftigte bei Kundgebung am 1. Mai in Salzgitter ++ Anja Piel vom Geschäftsführenden Bundesvorstand des DGB: „Gemeinsam setzen wir am Tag der Arbeit ein sichtbares Zeichen für eine gerechte und friedliche Zukunft, für einen Sozialstaat, der trägt und eine Daseinsvorsorge, die alle erreicht. ++ Ursula Schönberger von der AG Schacht KONRAD: „ Nachdem wir es geschafft haben, die letzten Atomkraftwerke in Deutschland abzuschalten, müssen wir jetzt Schacht KONRAD stoppen.“  

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Salzgitter – Unter dem Motto „Ungebrochen solidarisch“ begingen Beschäftigte in ganz Deutschland den Tag der Arbeit mit Demonstrationen, Kundgebungen und öffentlichen Veranstaltungen auf Straßen, Plätzen und in Hallen. Die DGB-Gewerkschaften in Salzgitter starteten mit einer Demonstration vom Schützenplatz zur Alten Feuerwache. Marion Koslowski-Kuzu begrüßte rund 3.500 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter im Namen des DGB-Stadtverbandes am Kundgebungsplatz im Dorfkern von Lebenstedt. Neben Reden von Anja Piel, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands des DGB, Bürgermeister Stefan Klein von der Stadt Salzgitter, Ursula Schönberger von der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad e.V. und den Jugend- und Auszubildendenvertretern Jannik Pohl von der Salzgitter Flachstahl GmbH, Ozan Ayhan von Volkswagen und Ida Hänsel von MAN gab es ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Spiel, Spaß und Spannung für Groß und Klein. Mitmachaktionen, Spielmobile sowie eine Hüpfburg machten den Tag der Arbeit zum Fest für die ganze Familie. Kulinarische Spezialitäten, Informationsstände und Musik von der Silver Rockets Band rundeten das Programm ab.

Gastrednerin Anja Piel vom Geschäftsführenden Bundesvorstand des DGB ging auf die Krisen und Herausforderungen der letzten Jahre ein: „Auf die Corona-Pandemie folgte Putins Angriffs-Krieg in der Ukraine. Für uns bedeutete das: Energiekrise, hohe Inflation und zusätzlich durch die Dekarbonisierung, Digitalisierung und demografischer Wandel, auch heftige Veränderungen in der Arbeitswelt. All das macht viele von uns zu Recht unsicher und führt zu existentiellen Sorgen. Wir Gewerkschaften stehen in und außerhalb von Krisen sicher an eurer Seite! Gemeinsam kämpfen wir für Tarifverträge und für bessere Arbeitsbedingungen von Millionen Beschäftigten. Am Tag der Arbeit setzen wir darüber hinaus ein sichtbares Zeichen für eine gerechte und friedliche Zukunft, für einen Sozialstaat, der trägt und eine Daseinsvorsorge, die alle erreicht“, so die Gewerkschafterin auf der Bühne.

Piel erläutert, für mehr Wohlstand muss die flächendeckende und bezahlbare Versorgung mit Dienstleistungen der Daseinsvorsorge wieder eine zentrale Aufgabe des Staates werden: „Deshalb kämpfen wir auch gegen Privatisierungen, z. B. bei Krankenhäusern, Kitas und Schulen. Beschäftigten in den privatisierten Bereichen erleben oft Lohndumping und eine Abwärtsspirale bei den Arbeitsbedingungen. »Arm trotz Arbeit« trifft inzwischen für viele Kolleg*innen dieser Bereiche zu“, so die Gewerkschafterin. „Darüber hinaus gehört zu einem starken Sozialstaat auch eine starke Rente! Die Rente muss den erreichten Wohlstand sichern, also bei höherem Lohn auch höher sein. Und sie muss über dem Existenzminimum liegen, auch wenn der Lohn niedrig war oder es viele Lücken gab. Feststellen müssen wir leider auch, dass jedes fünfte Kind in Armut aufwächst. Das ist in einem reichen Land wie Deutschland ein Skandal. Deshalb fordern wir eine vernünftige Kindergrundsicherung.“

Dann ging Piel auf die Veränderungen am Arbeitsmarkt ein: „Der Arbeitsmarkt hat sich zu einem Arbeitnehmer*innenmarkt entwickelt. Nur, liebe Kolleg*innen: Dazu passt nicht, wenn Arbeitgeber über flächendeckenden Fach- und Arbeitskräftemangel jammern – aber die Reallöhne sinken; wenn immer noch Millionen Menschen arbeitslos sind; wenn jedes Jahr Jugendliche keinen Ausbildungsplatz finden; wenn Ältere schlechte Karten im Vorstellungsgespräch haben und wenn Frauen viel zu oft gegen ihren Willen in der Teilzeitfalle und der Minijob-Sackgasse feststecken. Und das könnte auch bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände mal einsickern, dass Sprüche wie »es braucht mehr Bock auf Arbeit« und der ständige Ruf nach einem späteren Renteneintritt oder so Vorschläge, dass einfach mal mehr Stunden gearbeitet werden müssen und weniger Kolleg*innen in Teilzeit gehen sollen, komplett daneben sind – denn das bringt nicht mehr Fachkräfte. Fachkräftegewinnung gelingt doch am Ende nur durch gute Arbeitsbedingungen, gute Löhne und gute Tarifverträge. Mitten in der Transformation sind wir als Gewerkschaften und die vielen tollen, engagierten Betriebsräte die Anwälte der Beschäftigten, die alle mitnehmen wollen. Wir können zwar keine Arbeitsplatzgarantie aussprechen, aber wir können Perspektiven aufzeigen, z. B. durch Weiterqualifizierungen und mit guten Angeboten für lebensbegleitendes Lernen!“

Gegen Ende ihrer Rede ging Piel näher auf den Standort in Salzgitter ein: „Die Energiekrise als Folge des Krieges gegen die Ukraine setzt vielen Unternehmen schwer zu. Der Staat muss den Unternehmen mit umfangreichen Subventionen helfen. Dabei muss aber klar sein: Unternehmen dürfen nicht einfach vom Staat Geld geschenkt bekommen. Ein Unternehmen, dass staatlich unterstützt wird, muss sich also verpflichten, seine Standorte hier zu erhalten, Arbeitsplätze zu garantieren und gute Arbeitsbedingungen zu sichern. Und das Wichtigste, ohne Tarifverträge und ohne Mitbestimmung keine staatliche Hilfe! Ökologische Transformation, Standortsicherung und Gute Arbeit gehören für uns untrennbar zusammen! Und wie wir selbst erleben, kann es funktionieren. Erst zwei Wochen ist es her, dass es grünes Licht für grünen Stahl in Salzgitter gab. Der Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck übergab der Salzgitter AG einen Förderbescheid in Höhe von rund einer Milliarde Euro. Mit moderner Technik unterstützt somit die Salzgitter AG das langfristige Ziel die Schaffung einer kohlenstofffreien Wirtschaft im Rahmen der Energiewende. Und gleichzeitig können damit die Zukunft des Stahlstandortes Deutschland und damit auch zahlreiche Arbeitsplätze in Salzgitter langfristig gesichert werden.“

Für Ursula Schönberger von der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e.V. ist die Zukunft Salzgitters unweigerlich mit dem Atomausstieg verbunden: „Nach 5 Jahrzehnten haben wir es geschafft, dass die letzten Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet wurden. Damit reiht sich Deutschland in die Mehrheit der europäischen Staaten ein, die auf Atomstrom verzichten. Dieser Erfolg gibt uns Mut, unserem Kampf, gegen die Einlagerung von Atommüll in das alte marode Eisenerzbergwerk Schacht KONRAD, fortzusetzen.“

Die Aktivistin erzählt: „Vor zwei Jahren haben wir den Antrag auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Schacht KONRAD beim Niedersächsischen Umweltminister Lies eingereicht. Inzwischen hat der Minister gewechselt – unser Antrag ist geblieben und jetzt haben wir die Zusage des neuen Ministers, Ende diesen Jahres einen Bescheid zu erhalten. Das ganze würde so lange dauern – so beide Minister – weil unser Antrag substanziell gut begründet sei. Deshalb müssten sie unseren Antrag gründlich und fachlich gut prüfen und das würde halt dauern. Eines kann ich Euch auf jeden Fall versprechen: Wenn das Ministerium unseren Antrag nicht positiv bescheidet, dann sehen wir uns vor dem Gericht wieder. Denn der Schacht KONRAD ist alt, marode und ungeeignet. Wenn man heute schon weiß, dass KONRAD nicht geeignet ist, dann darf man morgen keinen Müll einlagern. Das ist gefährlich, das ist unverantwortlich.“

Schönberger appelliert: „Sucht endlich einen bestmöglichen Standort für die dauerhafte Lagerung aller Arten radioaktiver Abfälle nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik, nach den heutigen Sicherheitsanforderungen und mit einer Option für die Rückholung, wenn doch alles schief geht. Deshalb fordern wir einen sofortigen Baustopp und eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Schacht KONRAD.“

Junge Metaller, wie Jannik Pohl von der Salzgitter Flachstahl GmbH und Ozan Ayhan von Volkswagen machten deutlich: „Solidarität ist das Band, was uns als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter und uns als Menschen, als Teil einer gemeinsamen Bewegung zusammenhält.“ Ida Hänsel von der Jugend- und Auszubildendenvertretung bei MAN machte darauf aufmerksam, dass Gewerkschafter immer noch verfolgt werden und warum dieses Band der Solidarität auch über Grenzen hinweg nicht abbrechen darf: „In Belarus werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich gewerkschaftlich organisieren oder freie Wahlen fordern immer noch wegen Hochverrat, Verleumdung oder Mitgliedschaft in einer extremistischen Organisation für bis 15 Jahre Haft verurteilt. Oft verschwinden unsere Kolleginnen und Kollegen in Weißrussland einfach von der Bildfläche, weil sie verschleppt werden. Für junge Menschen, wie wir es sind, ist das unvorstellbar: Wir alle haben schon einmal auf der Straße demonstriert oder an Warnstreiks teilgenommen, tauschen uns mit Kolleginnen und Kollegen aus und äußern unseren Unmut. Umso wichtiger ist es, zu erkennen, dass das diesjährige Mai-Motto »Ungebrochen solidarisch« auch eine Botschaft an die Weltgemeinschaft ist: »Hoch die internationale Solidarität«.“

 


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